„Es sah aus wie ein Glücksgriff. Doch nach der Übernahme entdeckten wir unbezahlte Rechnungen, schwebende Klagen und ein toxisches Betriebsklima.“ So beschreibt ein erfahrener Unternehmer die Schattenseite eines schlecht geplanten Deals. Er ist kein Einzelfall. Laut einer Studie der Harvard Business School scheitern rund 70 Prozent aller Übernahmen an unvorhergesehenen Problemen. Was läuft schief? Warum sind Risiken oft erst sichtbar, wenn es zu spät ist? Wer sich nicht akribisch vorbereitet, tappt in eine Falle, die Gewinne auffrisst und Existenzen bedroht. Doch wie lässt sich das verhindern?
Das unsichtbare Minenfeld
Bilanzen sind poliert, Präsentationen glänzen – doch nicht alles, was in Geschäftsberichten steht, ist die ganze Wahrheit. Versteckte Verbindlichkeiten, überbewertete Vermögenswerte oder problematische Verträge lauern unter der Oberfläche. Eine gründliche Due Diligence Prüfung ist deshalb unerlässlich. Dabei geht es nicht nur um Zahlen. Auch Unternehmenskultur, interne Prozesse und rechtliche Risiken müssen auf den Prüfstand.
Verborgene Verpflichtungen entlarven
Häufig unterschätzt: Leasingverträge, die länger laufen als erwartet, oder ausstehende Rechtsstreitigkeiten, die plötzlich Millionen kosten können. Besonders tückisch sind stille Verpflichtungen gegenüber langjährigen Geschäftspartnern. Ein Beispiel: Ein Unternehmen übernimmt eine Produktionsfirma und stellt erst nach Vertragsunterzeichnung fest, dass die wichtigsten Kunden auf mündliche Rabatzusagen des alten Eigentümers pochen. Das reißt Löcher in die Kalkulation.
Kultur als Risikofaktor
Fusionen scheitern oft nicht an Zahlen, sondern an Menschen. Wer Firmenstrukturen ignoriert, riskiert Konflikte, die das Geschäft lähmen. Ein Fall aus der Automobilbranche zeigt das deutlich: Nach einer Übernahme verließen innerhalb eines Jahres 40 Prozent der Ingenieure das Unternehmen. Der Grund? Der neue Eigentümer drückte eine restriktive Konzernstruktur durch, die nicht zur bisherigen Innovationskultur passte.
Der Mensch hinter den Zahlen
Jedes Unternehmen hat seine eigene DNA. Traditionen, Entscheidungswege und sogar informelle Hierarchien spielen eine enorme Rolle. Ein kühler Blick auf Umsatzprognosen reicht nicht aus. Wer nicht frühzeitig Gespräche mit Schlüsselpersonen führt, riskiert, dass die besten Köpfe das Weite suchen. Auch Gerüchte im Team können gefährlich werden: Wenn Mitarbeiter Angst vor Stellenabbau haben, sinkt die Motivation – und mit ihr die Produktivität.
Vertragsfallen, die teuer werden können
Jeder Deal beginnt mit Zahlen, endet aber mit Worten – den Vertragsklauseln. Kleine Formulierungen können riesige Folgen haben. Was auf den ersten Blick harmlos wirkt, kann nach der Unterschrift erhebliche finanzielle Einbußen verursachen. Ein klassisches Beispiel: Ein Käufer geht davon aus, dass die übernommenen Kundenbeziehungen stabil bleiben. Doch der Vertrag enthält eine sogenannte Change-of-Control-Klausel, die Kunden erlaubt, ihre Verträge bei einem Eigentümerwechsel zu kündigen. Kaum ist die Übernahme abgeschlossen, springen die wichtigsten Geschäftspartner ab – der Umsatz bricht ein, während die Fixkosten unverändert bleiben.
Tückische Formulierungen mit großer Wirkung
Noch brisanter wird es, wenn strategische Lieferanten ähnliche Klauseln in ihren Verträgen verankert haben. Plötzlich stehen nicht nur Kundenbeziehungen auf der Kippe, sondern auch essenzielle Lieferketten. Besonders dramatisch kann das in stark vernetzten Branchen wie der Automobil- oder Pharmabranche sein, wo ein Zuliefererausfall ganze Produktionsprozesse lahmlegt. Auch Lizenzvereinbarungen oder Patentrechte sind häufig an den ursprünglichen Eigentümer gebunden. Wenn diese bei einem Wechsel automatisch erlöschen oder neu verhandelt werden müssen, kann das die gesamte Geschäftsbasis gefährden.
Ein weiteres Beispiel sind Nachhaftungsklauseln. Der Käufer übernimmt das Unternehmen in der Annahme, alle offenen Verbindlichkeiten seien transparent offengelegt. Doch wenn in den Verträgen frühere Garantieverpflichtungen oder offene Rechtsstreitigkeiten nicht klar geregelt sind, haftet der neue Eigentümer für Altlasten – selbst wenn diese erst Jahre später auftauchen.
